Montag, 5. Mai 2014

REVIEW: HENKER, BLUTVOGT, CARNIFEX - DER SCHARFRICHTER IN DER DEUTSCHEN KULTURGESCHICHTE (Albrecht Keller, Kirchschlager Verlag)



Die Hinrichtung von (vermeintlichen) Kriminellen, die verschiedenen Hinrichtungsarten und das dazugehörige Procedere sind Themen, welche immer wieder auftauchen wenn man sich mit der Geschichte Deutschlands (vor allem im Mittelalter) befasst. Das Buch „Henker, Blutvogt, Carnifex – Der Scharfrichter in der deutschen Kulturgeschichte“, welches von Albrecht Keller im Jahre 1921 (!) verfasst und 2007 vom Kirchschlager Verlag neu aufgelegt wurde, nimmt sich diesem kulturhistorischen Phänomen an und analysiert es in all seinen Facetten. Keller liefert hierbei nicht nur einen fundierten, glaubhaften und sachlichen Bericht, der sich über mehrere Epochen erstreckt, ab, sondern reichert das Werk auch noch mit mehreren Quellen an.




Im ersten Teil des Buches wird auf die Entwicklung des Strafvollzuges zu der Zeit, als es das Scharfrichteramt im klassischen Sinne noch nicht gab, eingegangen. Hierbei geht Keller zunächst diverse Bräuche zur Zeit der Germanen ein (z.B. das Sippenrecht und die Blutrache) und arbeitet sich dann weiter zu den Rechtssprechungen späterer Tage. Interessant sind hierbei ganz besonders die kuriosen, aus heutiger Sicht fast schon barbarischen Auffassungen von „Gerechtigkeit“, welche damals Gang und Gäbe waren. Dass Keller den Bogen zu solch frühen Epochen spannt, ist ein Beweis für die unbeachtete Vielfalt der Thematik und das Können des Autors.

Der zweite Teil des Buches nimmt sich sämtlichen Facetten des Scharfrichteramtes an und ist der abwechslungsreichere und detailliertere von beiden. Durch die akribische Genauigkeit, mit der der Autor die Stellung des Scharfrichters beschreibt, ergibt sich ein sehr rundes Bild dieser vergessenen (?) historischen Figur und vor allem von den unterschiedlichen Arten, in denen er über den Lauf der Zeit wahrgenommen wurde. Gerade die Furcht und der Ekel, den die „ehrenhaften Bürger“ vor dem Scharfrichter empfanden, wird sehr lebhaft beschrieben. Besonders lang und interessant ist der Abschnitt, der sich mit den Arten der Hinrichtung und Folterung befasst und somit das „Handwerk“ des Henkers vorstellt. Keller legt hierbei großen Wert auf die Beschreibung der einzelnen Todesarten und die „Fähigkeiten“, die vonnöten waren, um sie auszuführen. Besonders lesenswert sind die Ausführungen über die Schwerthinrichtungen und die Foltermethoden, die der jeweilige Henker beherrschen musste. Ausgehend davon ergeben sich weitere wissenswerte Fakten rund um den Berufsstand des Scharfrichters im Wandel der Zeit, zum Beispiel was seine Bezahlung und seine sich ständig ändernde gesellschaftliche Stellung angeht. Hierdurch wirkt „Henker, Blutvogt, Carnifex“ viel flüssiger und übergreifender, als es bei statischeren Werken oftmals der Fall ist.



Besonders positiv hervorzuheben sind die zahlreichen Anekdoten, Fallbeispiele und Originalzitate, die Keller in seinen Text mit einbaut. Diese verleihen „Henker, Blutvogt, Carnifex“ den nötigen Unterhaltungswert und erhöhen zugleich den ohnehin schon sehr hohen historischen Anspruch. Auch die zahlreichen Abbildungen sind sehr schön anzusehen und stellen eine enorme Aufwertung dar.

Fazit: Sehr informatives und ausführliches Buch, das das Thema Hinrichtung von allen Seiten beleuchtet und dem interessierten Leser Bereiche des Komplexes aufzeigt, welche oftmals verdrängt bzw. nicht wahrgenommen werden. Trotz des enormen Tiefganges ist „Henker, Blutvogt, Carnifex“ sehr abwechslungsreich und spricht verschiedene Epochen und Facetten an, ohne die Hauptthematik aus den Augen zu verlieren. Wer sich ernsthaft mit der Geschichte des Strafvollzuges in Deutschland auseinandersetzen möchte, wird in „Henker, Blutvogt, Carnifex – Der Scharfrichter in der deutschen Kulturgeschichte“ alles finden, was er sich nur wünschen könnte.

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