Mittwoch, 6. November 2013

REVIEW: MERZBOW - HERE (Noise, L. White Records)





Merzbow ist wohl einer der wichtigsten Namen im japanischen Noise (bzw. Japanoise) Bereich und steht so für das Subgenre, wie Whitehouse für den britischen Power Electronics Stil. Der Japaner bringt seit 1979 Noise Releases heraus und hat, zusammen mit Weggefährten wie Masonna, KK Null, The Incapacitants und Government Alpha, eine unverwechselbare, chaotische und höchst exzentrische Form des Harsh Noise salonfähig gemacht, die bei Post-Industrial Freunden weltweit für Begeisterung gesorgt hat und immer noch sorgt.  

Im Jahre 2008 nahm Masami Akita, so der bürgerliche Name des Noise Künstlers, das Album „Here“ auf, welches auf dem deutschen Industrial Label L. White Records veröffentlicht wurde. Auf 3 Tracks mit insgesamt über 50 Minuten Spielzeit bekommt der Fan hier die Unterhaltung geboten, die er von Merzbow kennt und liebt. Viele werfen dem Herren einen zu hohen, mittlerweile uninspirierten und langweiligen Output vor, während andere wiederum seine aktuellen Werke so begeisternd finden, wie nie zuvor. In wie weit kann „Here“ also überzeugen?




Der erste Track „Here“ setzt mit Computer-haften Klängen ein, welche jedoch innerhalb von wenigen Sekunden schneller und mehrlagiger werden und in einem sehr gelungen Wechselspiel eine nicht uninteressante Klangcollage ergeben, wie man sie von dem Urgestein aus neueren Tagen kennt und gegebenenfalls schätzt. Nach einiger Zeit gesellen sich auch etwas rauere, metallische Klänge dazu, die dem Ganzen einen etwas Harsh Noisigeren Anstrich verpassen und dem Geschehen auch einiges an Würze verleihen. Ohne dass man es aktiv mitbekommt, tauscht Merzbow alte Sounds durch neue aus, führt sie später jedoch wieder ein etc., sodass die Klangkulisse sich immer ihren Geist behält, aber dennoch genug Bewegung aufweist, um den Hörer auf Trab zu halten. Stellenweise erreicht die Kombination wahre Höhepunkte und kann über die 20 Minuten Spielzeit munter halten.



Dieser Herangehensweise folgt auch der zweite Titel „Torikabuto“, jedoch sind die Sounds in diesem Lied von Anfang an roher, direkter und verzerrter und erinnern an die frühen analogen Tage der japanischen Noise Szene. Druckvoll, heftig und zielgenau führt Masami auch hier wild klingende, brummende und stechende Frequenzen zusammen und bändigt sie dennoch in einem gewissen Maße, sodass trotz aller Dynamik so etwas wie Konzept entsteht. Dieses wird gegen Ende noch weiter ausgebaut, sodass Struktur und Chaos genau die richtige Mitte finden und einen Track ergeben, der dem starken Opener in nichts nachsteht, ja, ihn sogar noch toppt. Nicht zuletzt wegen  der analog klingenden brutalen Klänge am Anfang. Nach diesem 24 minütigen Biest folgt der letzte und kürzeste Track „Pigeon Car“. Dieser krächzt und schrillt vor sich hin und könnte wohl mit der kakophonischste Beitrag auf diesem Album sein, was natürlich als Lob zu verstehen ist. Auch wenn die kompositorischen Fähigkeiten bei den anderen Tracks vielleicht besser zum Tragen kommen, ist es doch erfrischend zu sehen, dass Herr Merzbow schlussendlich doch noch den Mut zur kruden Hässlichkeit beweist und meilenweit von dem Hipstertum entfernt ist, das ihm so viele Leute vorwerfen. Die verzerrten Klänge ziehen sich durch den gesamten Track und erinnern wahrlich an Glanzzeiten des japanischen Noise zurück. Ein Erfolg auf ganzer Linie!

Fazit: „Here“ ist ein Album, welches als Harsh Noise CD sehr gut funktioniert. Ohne großartige Spirenzchen und Experimente wird einem hier gelungener Noise serviert, welcher wirklich mehr als passabel ist und stellenweise wirklich zur Hochform aufläuft. Obwohl man Masami schon stärker gehört hat, kann man „Here“ dennoch als eines der stärksten Alben seiner „neueren“ Schaffensphase ansehen. Vor allem weite Stellen des zweiten und der gesamte dritte Track entpuppen sich als absolute Wonne. Freunde des japanischen Noise sollten den Kauf dieses Albums, welches übrigens in einem schicken Digipack veröffentlicht wurde, absolut nicht bereuen.

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