Sonntag, 1. September 2013

INTERVIEW: TOM HEIDENBERG (Necrophile Passion)






“Necrophile Passion“ ist derzeit einer der am sehnlichsten erwarteten Filme im Bereich des extremen Films. Der stilsichere, ambitionierte Film über Leichenschändung, psychische Krankheit und Verzweiflung ist ein voller Erfolg und einer der interessantesten Independent-Produktionen der letzten Jahre (Näheres in meiner Review). Der Regisseur Tom Heidenberg ist ein Enigma: er lässt es nicht zu, dass Fotos von ihm veröffentlicht oder sonstige private Informationen nach außen getragen werden. Obwohl ihn eine Aura des mysteriösen umgibt, konnte ich ihn für ein Interview gewinnen. Fünf Stunden lang beantwortete Heidenberg meine Fragen und zeigte mir dabei, dass er ein vielschichtiger, anspruchsvoller Künstler ist, der einiges zu erzählen hat.



Das unzensierte Interview in voller Länge könnt ihr hier lesen:





TM: Grüß dich, Tom! Zunächst einmal vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst um meine Fragen zu beantworten. Erst einmal die gängige Einstiegsfrage: wer bist du und was gibt es über dich zu wissen?

Heidenberg: Eigentlich gibt es gar nicht sehr viel Wissenswertes über meine Person zu erzählen...



TM: Du hast mit "Necrophile Passion" einen Film geschaffen, der sehr extrem ist. Dein Interesse an Extremität und Grenzüberschreitung - wann fing es an?

Heidenberg: Das fing schon in sehr jungen Jahren an, eigentlich hat mich speziell das Horror Genre genauso wie extreme Musik schon sehr bald fasziniert. Natürlich hat das damals mit eher harmloseren Sachen angefangen und sich mit der Zeit immer mehr gesteigert. Speziell die Special Effects waren es, die es mir angetan haben. Bei “Necrophile Passion“ ist es, denke ich, eher die Thematik und der Score die, dem ganzen Film einen so "extremen" Charakter geben. Der Gore an sich ist ja jetzt nicht unbedingt überdurchschnittlich und es geht, wie du es in deiner Review schon so schön gesagt hast, eher um das "wie" als um den Gore oder den Tabubruch im klassischem Sinne, wie es andere gerne machen. Ich wollte mit dem Film etwas ganz Eigenes kreieren und nicht nur den Abgrund einer kaputten Persönlichkeit zeigen, sondern den Zuschauer viel mehr daran teilhaben lassen. Ich hoffe dass mir dies damit gelungen ist.






TM: Für viele Menschen bedeutet "Extremität" oftmals nicht mehr als das Schauen von mäßig brutalen Horrorfilmen. Inwiefern gehen deine Geschmäcker darüber hinaus? Was bedeutet echte Extremität für dich und welche Rolle spielt sie in deinem Privatleben?

Heidenberg: Es sind viele Extreme, die mein Privatleben ausmachen, sei es Musik, Film, Kunst etc. aber wirkliche Extremität ist für mich eigentlich das Leben und die Menschheit an sich. Filme und Musik speziell im extremen Bereich spiegeln in sehr vielen Fällen nur das wieder, was du tagtäglich von den Medien vorgesetzt bekommst. Und genau diese Sensationspresse, die mit der Kamera am Unfallort voll draufhält, ist es dann, die sich das Maul über einen Film oder über irgendeine CD zerreißt.



TM: Dein Film "Necrophile Passion" ist fertiggestellt und wird demnächst releast. Erzähl uns doch noch einmal kurz zusammenfassend, worum es geht.

Heidenberg: Ganz klar ist die Leichenschändung an sich ein nicht gerade kleiner Teil des Filmes, aber eigentlich geht es in erster Linie um die psychische Krankheit dahinter und um zwischenmenschliche Beziehungen. Ich denke, Leichenschändung ist eines der abartigsten Dinge, die man sich so vorstellen kann und dass niemand einfach so, weil er es gerade so cool findet, sowas machen würde. Da steckt mit Sicherheit viel mehr dahinter und genau das ist der Punkt, der mich persönlich interessiert hat. Das, was ich mir immer wieder Gedanken gemacht habe beim Schreiben des Skripts. Was könnte es sein, das einen Menschen dazu treibt...?





TM: Sehr interessant! Wie kamst du auf die Idee, eine solche Geschichte zu verfilmen? Wie lange trägst du sie schon mit dir herum? Welche Stadien der Entwicklung hat sie durchschritten?

Heidenberg: Als ich mit relativ jungen Jahren Nekromantik gesehen habe, welcher mich zum damaligen Zeitpunkt auch etwas verstört hat, habe ich begonnen mir Gedanken über die Thematik zu machen und mir eben immer die Fragen gestellt, was einen Menschen dazu treiben kann so etwas zu tun. Die erste Idee dazu gab es dann erst viel später, aber wenn man bedenkt dass der Film 2013 fertig gestellt wurde, doch schon sehr, sehr früh. Es dürfte irgendwann 2003/2004 gewesen sein, denn die erste Drehbuchversion war bereits 2005 fertig. Bis ca. 2011 wurde diese Version aber mehrmals total verworfen und immer wieder umgeschrieben, es hat sich im Laufe der Zeit also sehr viel verändert. Da es auch in den letzten Jahren viele gescheiterte Versuche gab das Projekt zu verwirklichen, was zu einem großen Teil an unzuverlässigen Darstellern lag, hat sich das Projekt aber auch automatisch sehr verändert. Es gab sehr viele Tiefpunkte und ich war sehr oft davor alles hinzuschmeißen. Im Nachhinein bin ich aber froh, dass es gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Denn hätte ich den Film ein paar Jahre früher fertig gestellt, hätte zum einen die Technik wohl komplett anders ausgesehen und der Film hätte den Typischen Amateur Look bekommen, zum anderen wären auch der Score und die Darsteller anders gewesen und der Film hätte vermutlich sehr stark darunter gelitten. Nur durch diesen steinigen Weg hat der Film die gewünschte Qualität bekommen. Also kriegt am Ende doch noch jeder was er will. Allerdings war der Film ursprünglich viel länger geplant gewesen, vieles wurde von vornherein schon gestrichen, weil es nicht umsetzbar gewesen wäre. Aber es wurden auch unsinnige Dialoge und im Nachhinein Dinge gestrichen die ich für unpassend hielt.



TM: Du sprichst von Problemen mit Darstellern etc. Welche Steine lagen dir über die vielen Jahre hinweg konkret im Weg? Kannst du uns Konkretes sagen?

Heidenberg: Es war generell für das was ich plante schon sehr problematisch jemanden zu finden, der das macht, aber jemanden zu finden, der das auch noch gut macht, war katastrophal. Zudem kommt noch hinzu, dass ich leider Jahrelang immer wieder mit sehr unzuverlässigen Leuten zu tun hatte, die erst gar nicht am Set erschienen sind. Oder so, wie es bei den Drehversuchen 2008 war, dass die damalige Hauptdarstellerin nach fast komplett beendeten Dreharbeiten ausgestiegen ist und verboten hatte, das Material mit ihr zu veröffentlichen. Leider gab es damals keine Verträge, da es ja in erster Linie ein Projekt war, wovon ich dachte, dass es in einem recht kleinen Rahmen bleibt. Ich bin sehr froh, dass ich später dann Günther Brandl für das Projekt gewinnen konnte, der mich wirklich auch sehr stark bei der Suche nach Darstellern unterstützt hat. Ohne Günther wäre das Projekt vielleicht gar nicht möglich gewesen oder hätte zumindest darstellerisch nicht die Qualität bekommen, die der Film nun hat.





TM: Wie hast du dann im Endeffekt die Leute gefunden, die bereit waren das über sich ergehen zu lassen? Zufall oder Ergebnis einer längeren Suche? Gerade jungen Schauspielerinnen sagt man ja oftmals eher Hochnäsigkeit und Verklemmtheit nach...

Heidenberg: Ich würde mal sagen es war eine Mischung aus beidem und wie gesagt hat Günther hier einen wirklich sehr großen Teil dazu beigetragen. Es war äußerst angenehm mit allen Beteiligten zusammen zu arbeiten, bei Günther wusste ich das ja schon von vornherein, da er schon in sehr vielen Filmen mitgespielt und vor allem auch selbst Regie geführt hat. Unter anderem auch bei Filmen wo viel nackte Haut zu sehen ist und er selbst auch Aktrollen und Sex Szenen gespielt hat. Ich möchte an dieser Stelle auch jedem, der mit Independent Filmen jenseits von Splatter was anfangen kann, seine Filmcrew Brandl Pictures ans Herz legen - die Jungs haben schwer was drauf! Es war aber auch sehr angenehm mit Katharina und Eldrid, sowie Sandra zusammen zu arbeiten. Eldrid und Katharina hatten im Vorhinein schon viele Erfahrungen im Film, Model und Theaterbereich gesammelt was die Arbeit wesentlich erleichtert hat.



TM: Ende gut, alles gut. Wie du schon gesagt hast, mussten die Schauspieler nicht nur alle Hüllen fallen lassen, sondern weitaus mehr. Gesetzt den Fall du hättest ein Team von Schauspielern gehabt, das wirklich ALLES mitgemacht hätte, wäre der Film dann pornographischer oder widerwärtiger ausgefallen?

Heidenberg: Es wurde im Vorhinein schon einiges gestrichen, weil ich davon ausgegangen bin, dass das einfach niemand über sich ergehen lassen würde, aber ich denke es ist ein ganz guter "Mittelweg" geworden, wenn man so will. Man hätte möglicherweise noch etwas mehr gesehen, aber ins Pornografische im Sinne von Hardcore wäre es nicht gegangen. Es wäre wohl eher widerwärtiger geworden, in einer viel früheren Drehbuchversion hätte die Szene, die wohl allen aus dem Trailer bekannt ist, wo Eldrid auf der verwesenden Leiche sitzt und ihren bekannten Satz sagt, so ausgesehen, dass noch Gedärme und Maden auf der Leiche sind, um nur ein Beispiel zu nennen. Im Nachhinein betrachtet denke ich aber, dass es ganz gut ist, dass darauf verzichtet wurde. Wie heißt es so schön: "weniger ist manchmal mehr".





TM: Kannst du uns noch weitere Beispiele geben? Was wurde denn noch so aufgrund von vermeintlicher Undurchführbarkeit verworfen?

Heidenberg: Es waren auch unblutige Szenen dabei, die mir aber sehr am Herzen gelegen sind wie z.B. eine, in der mehrere Mädchen auf einem Schulhof mit dem Finger auf einen kleinen Jungen zeigen und ihn auslachen. Ich wollte mehrere solcher Erinnerungen an die Kindheit mit rein bringen. Aber erzähl mal einer Mutter, dass du einen Film drehst wo es um Leichenschändung geht, der vergeht ganz schnell die Idee ihr Kind da mitmachen zu lassen, auch wenn es ganz harmlose Sachen sind. Oder z.B. auch (ACHTUNG SPOILER!!!!) bei der Szene ,wo die Hauptdarsteller Sex haben und er sie würgt, ist eine Vision der Frau, in der sie ihm das Messer an die Kehle setzt. Ich fand es im Nachhinein besser es anzudeuten, als es wirklich zu zeigen, zum anderen muss ich gestehen dass auch in diesem Fall der Effekt nicht ganz so perfekt wurde, wie ich es gerne gehabt hätte und ich bin eher der Meinung, dass es besser ist auf einen Effekt komplett zu verzichten als ihn in "schlechter" Form zu zeigen. Manchmal muss man aber einen Kompromiss eingehen und auch vielleicht nicht ganz so gelungene Effekte zeigen. Es lässt sich also leider mit begrenzten Mitteln nicht immer vermeiden.



TM: Wir haben uns ja vorhin über Extreme unterhalten. Inwiefern lebst du mit NP deine eigenen Triebe aus?

Heidenberg: Natürlich bringt man als Filmemacher immer auch eigene Erlebnisse, Fetische oder dergleichen mit rein und versucht vielleicht Dinge auszuleben, die man im realen Leben nicht machen kann und in jedem von uns lebt, auf irgendeine Art und Weise, eine Bestie, die darauf wartet herausgelassen zu werden. Auf Leichenschändung oder dergleichen stehe ich persönlich allerdings nicht^^ Es ist eher die Verachtung des Menschen an sich, die ich persönlich mit rein gebracht habe. Ich war noch nie der "pro Life - pro Sunshine" Typ, aber wenn du beim Fernsehen arbeitest und immer wieder zwangsweise mit Bierzelt Proleten, Politikern und anderen Idioten zu tun hast, fängst du, sofern du nicht selbst zu diesen gehörst, irgendwann an, an der Menschheit zu zweifeln und sie zu verachten. Und da ich gerade dabei bin, ich finde es auch sehr fragwürdig warum bei Filmen immer die Dinge ein Problem darstellen, die im Free TV oder generell in den Medien kein Problem sind. Gewalt, das Leid anderer etc...





TM: Du hast einen namenlosen Held gewählt. Hat dies eine besondere Bedeutung? Ist ein Held ohne Namen exemplarischer? Steht der Namenlose vielleicht für Themen, die jeden Menschen bewegen?

Heidenberg: Ich denke, das trifft es ganz gut. Es war auch in meiner Absicht das ganze Spektakel ein bisschen so darzustellen, dass es einen Hauch von einem Dokumentarfilm bekommt. Deshalb auch die eher langen Kameraeinstellungen, die den Helden begleiten und eher Szenen aus dem Alltag des Protagonisten zeigen, als ausschließlich klassische Filmszenen, oder wie es heut zu tage meist so üblich ist ein "Schnittgewitter" zu zeigen. Ein Namenloser Protagonist, in den man sich dann reinversetzen kann und in dem sich mancher vielleicht auf eine gewisse Art und Weise wiederfindet wirkt meiner Meinung nach authentischer.



TM: Heißt das, dass du eine dezente, wenig effekthascherische Inszenierung automatisch authentischer findest, als eine moderne, hektische?

Heidenberg: Ja das trifft es auf den Punkt. Ich denke, der Film baut so eine viel intensivere Atmosphäre auf, als er sie mit kurzen Kameraeinstellungen und hektischen Schnitten je erreichen könnte. Und dadurch braucht der Film auch keine Unmengen an Effekten um unter die Haut zu gehen. Durch die langen Kameraeinstellungen verbunden mit der Musik sitzt der Zuschauer - jedenfalls hoffe ich das - auf Nadeln und wird zum Voyeur, der gespannt drauf wartet, was als nächstes passiert.





TM: Wie du schon sagtest, spielt Voyeurismus bei deinem Werk eine übergeordnete Rolle. Wo liegt der Reiz an Gewalt? Allgemein, im Bezug auf NP und für dich persönlich? Was interessiert dich an Gewalt und warum zeigst du sie in deiner Kunst?

Heidenberg: Gewalt im Film oder der Kunst im Allgemeinen ist meist ein Mittel um seine Wut oder seinen Hass auszudrücken und sich abzureagieren. Und es ist besser diese in Form von Kunst auszudrücken, als sie im realen Leben anzuwenden. Jeder kennt Situationen aus dem Leben, wo man auf 180 ist und am liebsten alles kurz und klein schlagen möchte. Sowas zieht aber immer Konsequenzen mit sich, in der Kunst ist das anders, da kann man dies ohne irgendwelche Konsequenzen ausleben. Jedenfalls sofern man nicht in Deutschland wohnt!



TM: Gehen wir mal einen Schritt weiter: Sex und Gewalt. Sexuelle Gewalt. Gewalttätiger Sex. Diese Verknüpfung zweier menschlicher Urtriebe spielt auch in NP eine sehr große Rolle, wenn nicht sogar die metaphorische Hauptrolle. Würdest du sagen, dass sie in deiner Geschichte miteinander verschmelzen? Warum ist gerade die Darstellung von sexueller Gewalt so verpönt und bei den meisten Menschen verhasster als "reine" Gewalt?

Heidenberg: Die Verschmelzung von Sex und Gewalt spielt nicht nur hier eine Rolle, sondern mittlerweile auch eine sehr starke Rolle im realen Leben. Wenn du mal im Internet oder in einem X beliebigen Sex Shop etwas stöberst, wirst du an sowas nicht vorbeikommen. Ich denke, dass es sehr viele Menschen gibt, die sich schämen weil sie so etwas interessant oder geil finden und sich nicht trauen mit ihrem Partner darüber zu sprechen, so auch in Necrophile Passion... Es scheitert meist oft nur an einem Kommunikationsproblem.





TM: Wie stehst du persönlich zu sexueller Gewalt? Verteufelst du sie? Glorifizierst du sie? Lebst du sie vielleicht sogar im legalen Rahmen aus?

Heidenberg: Ich will es mal so ausdrücken: wenn man etwas derartiges vorhat, sollte man sehr viel Vertrauen in die beteiligte Person haben, sonst kann sowas sehr schnell mal zu weit gehen und in einer Katastrophe ausarten. Wenn aber Vertrauen da ist und beide Seiten das wirklich wollen, warum sollte man etwas Derartiges nicht ausleben? Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich das "Tabu" um sowas etwas lockern wird, denn, wie schon gesagt, ist auch Gewalt in Verbindung mit Sex längst in den Alltag der heimischen Schlafzimmer eingekehrt. Zwar vielleicht nicht unbedingt in der Form, die du ansprichst, aber z.B. Sadomasochismus ist ja mittlerweile nicht mehr unbedingt das Riesen Tabu, das es vielleicht mal war.



TM: Ausgehend von der oben angesprochenen Mischung aus Sex und Gewalt: warum Nekrophilie? Ist es die metaphorische Qualität, die Tatsache, dass es die ultimative Verbindung aus Sex und Gewalt ist, die Kontroverse, die das Thema birgt, oder schlicht und ergreifend die Faszination am Akt selbst? Oder ein bisschen von allem bzw nichts davon?

Heidenberg: Es ist zum einem eine Mischung aus allen der dir aufgezählten Dinge, aber zum anderen auch die Verachtung menschlichen Lebens und die Tatsache, dass ein totes Mädchen nicht Nein sagen kann, ihn nicht beschimpfen, quälen oder etwas derartiges mit ihm machen kann.





TM: Würdest du sagen, dass in solchen Szenen unterschwellige (oder offene?) Frauenfeindlichkeit mitschwingt? Auf der einen Seite gibt es in deinem Film natürlich die nekrophile Frau, auf der anderen Seite wird jedoch auch die Schändung eines weiblichen Körpers durch einen Mann dargestellt. Ist die Darstellung solcher Szenen automatisch sexistisch?

Heidenberg: Das würde ich nicht sagen. Ich denke einfach auch, dass - falls überhaupt - sowas einfach eher überwiegend Männer praktizieren, da es ja für eine Frau wohl auch eher schwieriger sein dürfte. Ist aber eine reine Vermutung, ich kenne niemanden der so etwas praktiziert :D



TM: Eine letzte Frage zur Nekrophilie: du sagtest am Anfang, dass Buttgereits allseits bekannter Film dich stark geprägt hat. Ist "Nekromantik" der geistige Vater von "Necrophile Passion"?

Heidenberg: Ich würde eher sagen, sein Film hat zur Idee geführt. Ich war damals sehr angeekelt und mir ging die Thematik nicht mehr aus dem Kopf. Sein Film hat bei mir also wohl die gewünschte Wirkung erzielt.



TM: Viele transgressive Künstler spielen mit Tabus und "Reizthemen", wollen jedoch nur shocken und benutzen dann Provokation als Ausrede, um vor der Presse und der Öffentlichkeit nicht ihr Gesicht zu verlieren. Andere wiederum agieren aus reiner Obsession oder wollen wirklich etwas aussagen. Wo siehst du dich? Ist pure Provokation etwas wert? Muss Kunst für dich irgendwo "true" sein, um ernstgenommen zu werden?

Heidenberg: Natürlich gehört ein bisschen Provokation immer dazu bei solchen Themen, ich sehe mich aber eher auf der anderen Seite und wollte mit meinem Werk schon etwas aussagen. Ich bin mir allerdings sicher, dass viele den Film oder Teile davon nicht verstehen werden. Der Film bietet teilweise auch ein bisschen Freiraum um selbst etwas hineininterpretieren zu können. Aber grundsätzlich darf Kunst meiner Meinung nach immer etwas Provokativ sein, bzw. muss sie in manchen Fällen auch um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Filme, die nur rein zur Provokation gedreht werden und deren Macher sich dann öffentlich rausreden, würde ich allerdings nicht befürworten. Entweder man will eben nur provozieren und steht dann auch dazu, oder man lässt es sein!



TM: NP ist ein reines Independent Projekt. Denkst du, du könntest auch für ein Mainstreampublikum einen Film drehen, der dir wirklich 100% aus der Seele spricht? Eventuell mit einem großen Studio im Rücken? Oder hast du für den Mainstream nur Verachtung übrig?

Heidenberg: Ich bin grundsätzlich dem Mainstream gegenüber nicht unbedingt positiv eingestellt, will aber nicht unbedingt sagen, dass alles schlecht ist. Ich glaube allerdings nicht, dass meine Ideen so verwirklicht werden könnten, dass sie mir zu 100% aus der Seele sprächen und noch Mainstream tauglich wären. Im Gegensatz zu sehr vielen Independentfilmern steht bei mir auch nicht unbedingt Geld an erster Linie. Es gibt ja genug, die sich Geldgeber suchen und dann ihre Seele verkaufen, oder Andere, die wiederum Cut Fassungen von Ihren Filmen verkaufen. Sowas finde ich, gerade im Indie Bereich, richtig dreckig, sowohl vom Filmemacher als auch vom jeweiligen Label, das diesen Cut Rotz produziert! Für mich war immer klar: wenn ich einen Film mache, dann ohne die Mitsprache eines Produzenten!





TM: Jetzt mal eine sehr persönliche Frage, die mir auf der Zunge brennt, seit ich "Necrophile Passion" das erste Mal sah: Wie sieht deine persönliche Philosophie aus? Wie siehst du die Welt und die Menschen um dich herum? Negativität, Menschenhass und Zorn - trägst du sie in dir? Was für eine Weltsicht hat ein Mensch, der einen solchen Film gedreht hat?

Heidenberg: Der Film verkörpert, abgesehen von der Nekrophilie, schon sehr gut mein Weltbild. Wenn es mir möglich ist, meide ich eher die Öffentlichkeit. Es gibt natürlich genug Menschen, mit denen ich sehr gut klar komme, ich hasse also grundsätzlich nicht alles und jeden, aber ich fühle mich nicht besonders wohl unter Menschenmengen und bin in vielerlei Hinsicht bestimmt auch nicht der Toleranteste. Am meisten kotzt mich aber die Verblödung durch die Medien in der heutigen Zeit und des "Qualitäts-Journalismus" an. Die Profitgier mancher Menschen und Firmen. Religiöse oder Politische Spinner, die sich an etwas festhalten müssen... Ich könnte dir jetzt wohl noch seitenweise Beispiele nennen. Ich denke, wenn die Menschheit so weiter macht wie bisher, dauert es nicht mehr lange bis wir uns selbst ins Aus schießen. Wir sind schon lange unser eigenes Feindbild, wenn du mich fragst! Es gibt einfach keinen Sinn alles positiv zu sehen und so schnell wird sich daran wohl auch nichts ändern!



TM: Ich fand besonders die "künstlerischen" Aspekte von NP sehr gelungen. Wie wichtig war dir das Experimentelle? Denkst du, dass dieser Seite des Films ebenso große Beachtung geschenkt werden wird, wie der Gewalt? Denkst du, dass ranzige, grausame Filme künstlerisch sein können und umgekehrt?

Heidenberg: Das Experimentelle war für mich der wichtigste Aspekt am ganzen Projekt. Ich hoffe, dass diesem Aspekt auch die nötige Beachtung geschenkt wird. Kunst darf auch durchaus meinem Geschmack nach grausam und ranzig sein, sollte sie in manchen Fällen, z.B. in meinem, aus sein. Für mich hat Kunst nicht immer unbedingt mit schönen Dingen im Sinne von Ästhetik zu tun. Es ist meiner Meinung nach alles erlaubt. Die Freiheit der Kunst ist sehr wichtig!



TM: Es gab einige heftige Reaktionen auf deinen Film. Natürlich provoziert soetwas immer, doch in diesem Fall sind mir die Reaktionen besonders heftig vorgekommen. Besonders da sie von Horrorfans und nicht von "außen" kamen. Woran liegt das in deinen Augen?

Heidenberg: Da hast du vollkommen Recht, die Reaktionen waren zum Teil schon sehr krass. Ich denke, dass es in erster Linie daran liegt, dass die Darstellung der Leichenschändung an sich wohl noch nie so deutlich dargestellt wurde. Jedenfalls kenne ich persönlich keinen Film, in dem dies so explizit zu sehen ist. Ich glaube, dass das für viele ein wenig zu viel des Guten war. Ich kann aber unmöglich so ein Thema aufgreifen und das Ganze dann nur andeuten oder verharmlost darstellen. Entweder ich zeige die Dinge wie sie sind bzw. sein könnten, oder ich lasse es sein. Man nimmt ja auch nicht aus einem Liebesfilm eine Kussszene oder deutet diese nur an bzw. entfernt aus einem Porno die Hardcore Szenen. Das wär ja dann nicht mehr das, was es sein sollte.





TM: Wie sieht es mit der Zensur aus? Denkst du NP hat gute Chancen auf ein Verbot? In deinem Heimatland herrscht Kunstfreiheit, aber das Nachbarland hat da etwas andere Vorstellungen...

Heidenberg: Ich denke mal bei euch in Deutschland könnte das ein heißer Kandidat für den Index werden. Die ganze Zensurthematik ist ein Deutschland einfach lächerlich. Film = Kunst und Kunst muss frei sein. Altersbeschränkungen usw. halte ich für durchaus sinnvoll, aber Deutschland ist ja mittlerweile das Land der aufgehenden Zensur und macht sich damit einfach lächerlich. Es ist für mich einfach absolut unverständlich, warum einem erwachsenen Menschen der Zugang zu so etwas verwehrt wird, aber gleichzeitig, wie weiter oben schon erwähnt, die Verblödung fortgesetzt wird. Amokläufe, Gewalt etc. haben andere Auslöser und jeder der so etwas vor hat, wird es auch ohne dergleichen gesehen zu haben durchziehen!






TM: Hast du schon konkrete Pläne für deine künstlerische Zukunft?

Heidenberg: Ja es gibt seit einigen Jahren ein Projekt dessen Arbeitstitel "Feindbild Mensch" ist. Allerdings kann ich dir dazu leider jetzt im Moment noch nicht wirklich was erzählen, da bei mir der Prozess des Drehbuchschreibens meist über Jahre geht und ich das komplette Projekt mehrmals total über den Haufen werfe. Ich schreibe seit 2008 daran, denke aber, dass das Skript bis kommenden Sommer fertig gestellt sein könnte. Das einzige was ich verraten kann, ist dass es für den Zuschauer wieder tief in den Abgrund der menschlichen Psyche gehen wird.




TM: Ich bin sehr gespannt! Wir sind nun am Ende unseres Interviews angelangt. Ich bedanke mich vielmals für deine interessanten und ausführlichen Antworten. Die letzten Worte, Grüße etc. gehören dir.

Heidenberg: Ich bedanke mich ebenfalls für den Support und die durchaus interessanten Fragen und wünsche dir viel Erfolg mit deiner Seite. Es ist schön, dass es heutzutage noch Seiten gibt, die extremer Kunst eine Plattform bieten!



TM: Besten Dank 

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